60 Peitschenschläge und sechs Monate Gefängnis lautete das Urteil für eine 20-jährige. Ihr Vergehen? Die junge Frau fühlte sich zu Hause unterdrückt und war weggelaufen. Verurteilt zu 90 Peitschenschlägen wurde ein 19-jähriges Vergewaltigungsopfer. Die Strafe bekam sie, weil sie sich mit einem Mann getroffen hatte, ohne mit ihm verwandt zu sein. Die beiden Meldungen erreichten die Presseagenturen im letzten Monat aus Saudi-Arabien.
In Saudi-Arabien sind die Rechte der Frau eingeschränkt. Ihr voran steht ein männlicher Vormund – in den meisten Fällen der Ehemann, Vater oder ein anderer naher Verwandter. Frauen können daher die meisten Entscheidungen nicht alleine treffen. Sie brauchen die Zustimmung des Vormunds, um das Land zu verlassen oder um arbeiten zu gehen. Wahlen sind für sie ebenso verboten wie das Autofahren.
Allerdings wurden in den letzten Jahren nicht wenige Liberalisierungsbemühungen unternommen. In einigen Punkten zeigte sich die saudi-arabische Regierung recht reformwillig. Unter anderem wurde beschlossen, dass Frauen einen Reisepass ohne die Zustimmung ihres Vormundes beantragen dürfen und sich ohne männliche Begleitung in der Öffentlichkeit zeigen können.
Die wohl bedeutendsten Fortschritte wurden im Bildungsbereich erzielt. Den Frauen in Saudi-Arabien ist es erlaubt, fast jeden Berufsweg einzuschlagen. Sie moderieren nun Sendungen im staatlichen Fernsehen oder haben ihre Pilotenausbildung erfolgreich absolviert. Mittlerweile verzeichnen die Universitäten sogar mehr weibliche als männliche Studenten.
Die Folge sind extreme Widersprüche in der saudi-arabischen Gesellschaft: Frauen dürfen studieren. Sie sitzen aber nicht mit ihren männlichen Kommilitonen im Hörsaal, sondern können die Vorlesungen nur draußen über einen Bildschirm verfolgen. Frauen dürfen als Pilotinnen Passagiere durch die Welt fliegen, aber nicht ohne die Erlaubnis des Ehemannes das Land verlassen. Frauen sitzen in führenden Positionen, bleiben aber ihr Leben lang unmündig.
Das monarchisch regierte Land hat, im Gegensatz zu vielen seiner muslimischen Nachbarländer, ausgezeichnete Beziehungen zu den westlichen Staaten, so auch zu Deutschland. Die Regierung ist immer wieder bemüht, sich als ein modernes und liberales Land darzustellen. Seit Mai 2006 ist Saudi-Arabien zudem Mitglied des UN-Menschenrechtsrates *, gehört also zu dem Ausschuss, der sich für die Einhaltung und Verbesserung der Menschenrechte in der Welt einsetzt.
Ein grundlegendes Menschenrecht ist jedoch die uneingeschränkte Gleichberechtigung von Mann und Frau. Eine Veränderung im Bewusstsein der männlichen Bevölkerung wäre von Nöten. Die Männer müssen lernen die Frauen als das zu sehen, was sie im Berufsleben schon sind: Nicht unmündige Menschen zweiter Klasse, sondern ebenbürtige, den Männern in nichts nachstehende Persönlichkeiten.
* UN-Menschenrechtsrat: Der UN-Menschenrechtsrat trat im Jahr 2006 die Nachfolge der UN-Menschenrechtskommission an. 47 Mitglieder werden in geheimer Wahl von der UN-Generalversammlung gewählt. Einer von 13 Plätzen für Asien wurde auf diese Weise Saudi-Arabien zugeteilt.
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